Wie Peter Paul Rubens nach Siegen kam

...und wo die Geschichte Spuren hinterließ

Warum der weltbekannte Barockmaler Peter Paul Rubens (* 28. Juni 1577 in Siegen,  † 30. Mai 1640 in Antwerpen) ausgerechnet in der Stadt Siegen das Licht der Welt erblickte, ist eigentlich eine tragische Geschichte.

Zwar haben Mutter und Vater Rubens bereits einige Monate nach Paulchens Geburt Siegen wieder verlassen, aber dennoch ist der künstlerische und kulinarische Geist des Malerfürsten - wie er oft genannt wird - bis heute zu spüren.  Wilhelm I. von Nassau-Dillenburg, Prinz von Oranien und Graf von Nassau (auch genannt "Der Schweiger"), ist quasi der "Verursacher" dafür, dass der berühmte Barockmaler Peter Paul Rubens im Jahre 1577 in Siegen das Licht der Welt entdeckt hat. Eigentlich wollte der schweigsame Wilhelm "nur" seine derzeit im Oberen Schloss residierende unliebsame zweite Ehefrau Anna von Sachsen loswerden und schob ihr daher eine uneheliche Schwangerschaft unter. Die Hochzeit war sowieso keine Liebesheirat gewesen, denn Wilhelm war wohl eher machtpolitischen Überlegungen denn Annas sprödem Charme erlegen: Die Protestantin Anna von Sachsen brachte zum einen ein anständiges Vermögen mit in die Ehe. Zum anderen konnte sich der aus politischen Kalkül heraus katholisch erzogene Wilhelm durch die Heirat die Gunst der protestantischen Fürsten sichern, denn mit der Religion hielt der Wilhelm es eher flexibel. Vielleicht war er da ja seiner Zeit voraus. Aber dann wurde Anna salopp ausgedrückt "nutzlos", zudem hatten sich die Ehepartner sowieso ständig in den Haaren, Anna wurde angeblich depressiv. Immerhin haben die beiden es auf fünf Kinder gebracht - Christine von Diez natürlich nicht mitgerechnet.

Grund gefunden für Scheidungsgesuch





Oberes Schloss Siegen_Foto Susanne Thomas.jpg

Jan Rubens aus Köln, Annas Rechtsanwalt und Berater, galt als der mutmaßliche Vater des Kindes. Als er 1571 in einer geschäftlichen Angelegenheit nach Siegen reiste, wurde er verhaftet. Jedoch gestand Jan Rubens erst unter Folter seinen angeblichen "Fehltritt". Anna von Sachsen gab nach, als ihr mit der Hinrichtung ihres angeblichen Liebhabers gedroht wurde. Nach der Geburt ihrer Tochter, der späteren Christine von Diez, musste Anna in die Scheidung einwilligen. Dem nicht genug, wurde sie noch gegen ihren Willen von ihrem sächsischen Onkel August nach Dresden verbracht, für geisteskrank erklärt und sozusagen lebendig eingemauert. Sie verstarb krank und einsam kurz vor ihrem 33. Geburtstag.

Jan Rubens musste für sein Vergehen eine Haftstrafe zunächst in der Dillenburg, anschließend im Hausarrest in Siegen verbüsen. Dann allerdings gemeinsam mit seiner Frau, die während dieser Zeit Peter Paul zur Welt brachte. Ein Jahr nach der Geburt verzog die Familie wieder nach Köln. Ob Anna wirklich ein Verhältnis mit Jan Rubens hatte, man weiß es nicht.

 

"Was mein Teil anbelangt, so wünschte ich, dass die ganze Welt in Frieden lebte..."

  • und wir statt eines eisernen ein goldenes Zeitalter hätten." * (Peter Paul Rubens in einem Brief)

Wilhelm der Schweiger hat den künftigen Ruhm des Malers nicht mehr erleben dürfen, er wurde 1584 von Balthasar Gérard im Auftrag des spanischen Königs Philipps II. erschossen. Der Grund für das Attentat: Philipp hatte ein hohes Kopfgeld auf Wilhelm ausgesetzt, denn der mittlerweile wieder zum Calvinismus konvertierte "Befreier der Niederlande" (ein weiterer Beiname) führte die - zumeist protestantischen - Niederländer im Norden im Unabhängigkeitskrieg gegen die spanischen - und katholischen - Habsburger an. Obwohl er einst ein enger Vertrauter von Philipps Vater, dem römisch-deutschen Kaiser Karl V. († 1558), gewesen war. Seine Truppen dazu zog er an der Ginsburg bei Hilchenbach zusammen. Gérard kam allerdings nicht den Genuss der Belohnung, er wurde festgenommen, brutal gefoltert und ebenso brutal hingerichtet.

Für die Niederländer gilt Wilhelm heute noch als der "Vater der Vaterlande", das "Wilhelmslied" ist die Nationalhymne der Niederlande. Die schicksalhafte Verbindung zwischen dem Schweiger und dem Malerfürsten ging aber noch weiter: Peter Paul Rubens wurde später Diplomat der spanisch-habsburgischen Krone zum Zwecke von Friedensunterhandlung. Sein erklärtes politisches Ziel waren Frieden und Wohlstand. So beklagte er in seinen Briefen den Niedergang Antwerpens, der durch den Krieg zwischen der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, sprich der Vereinigten Niederlande im Norden und den habsburgischen niederländischen Provinzen im Süden ausgelöst wurde.* Der Spanisch-Niederländische Krieg dauerte übrigens 80 Jahre - von 1586 bis 1648.

Bilder sind Geschichten und der Künstler Geschichtenerzähler

Peter Paul Rubens Ruf, ein großartiger Geschichtenerzähler zu sein, ist heute noch aktuell. Seine farbgewaltigen und emotionsgeladenen Werke spielen mit historischen, allegorischen, mythologischen und biblischen Figuren und Themen und stecken voller Aussagekraft.  Es ist äußerst lohnend, sich mit der Geschichte hinter Rubens und den Geschichten, die hinter seinen Bildern stehen zu beschäftigen. Natürlich könnte diese wie andere Geschichten auch aus einer anderen Perspektive heraus erzählt werden, wir haben uns aber für diese Variante entschieden. Aber vielleicht finden Sie ja noch eine andere Wahrheit, machen Sie sich also auf einen spannenden Weg.

Text: Susanne Thomas

(* aus: Ursula Blanchebarbe (Hg. für das Siegerlandmuseum), Picasso trifft Rubens - Katalog zur Ausstellung, Siegen 2007, S. 15)

Zu den beiden Herren unserer Geschichte