"Eine recht niedliche Wohnung"

Zuccalmaglio als Erzieher auf Haus Nachrodt





Zuccalmaglio Original-Foto Archiv v. Löbbecke Haus Nachrodt klein.jpg

Anton Wilhelm Florentin v. Zuccalmaglio lernte in seiner Zeit als Erzieher bei der Familie Post in Hagen-Wehringhausen Robert Löbbecke aus Nachrodt kennen, seinen späteren Arbeitgeber. Dieser hatte 1853 die jüngste Tochter des Fabrikbesitzers Eduard Schmidt, Emma, geheiratet. Dem jungen Paar wurde eine neue Villa im Schweizer Stil samt Nebengebäuden am Wege zwischen Haus Nachrodt und dem Fabrikgelände errichtet. Sie bekamen 4 Kinder, 2 Jungen und 2 Mädchen.


In Zuccalmaglios Tagebuch heißt es:
„Er (Robert Löbbecke) suchte mich zur Erziehung dieser Kinder zu gewinnen, und ich fühlte mich gleich an dem lieben, würdigen jungen Mann so angezogen, dass ich ihm nicht wiederstehen konnte. Ich besuchte Nachrodt einmal, fand die Gegend, die nun durch die Lennebahn erschlossen war, so reizend, dass ich mich auf die Zeit freute, wo ich dort einziehen sollte. Die Mutter der Löbbeck´schen Hausfrau (Emma Schmidt, Schwester des Alexander Löbbecke („Alexanderhöhe“) in Iserlohn) hatte ich schon früher ….bekannt gemacht und ich hatte vom ersten Augenblick an für diese Frau eine besondere Hochachtung gewonnen. …
…Eine recht niedliche Wohnung ward für mich eingerichtet worden, ein hübscher Garten lag vor mir und der Wald konnte mit einem mäßigen Wurfe erreicht werden, dass ich, was den Haingesang betraf, den verwöhntesten Sitz innehatte. Da mein junger Grüner (Robert Löbbecke) Jagdliebhaber war, als Badegast auf Norderney auch Seehunde erlegte, und eines dieser Meerungetüme über meiner Wohnung als Giebelschmuck angewandt hatte, habe ich sie den „Gasthof zum Seehunde“ genannt.“ 

(„Erinnerungen Band 3“ herausgegeben von Else Yeo 1991)

Das Lennetal vor 100 Jahren

„Wer vor hundert Jahren (um 1857) das schöne Lennetal durchwanderte, fand im heutigen Nachrodt noch keine geschlossene Siedlung, sondern nur wenige verstreut liegende Gehöfte und Kotten vor. Eine fast unberührte Natur bot sich dem schauenden Auge dar [...]. Da können wir verstehen, dass Dichter und Freunde der Natur wie Emil Rittinghaus und sein Freund Hoffmann von Fallersleben unser Tal bis Altena gern und oft durchwanderten[...]. Zu gleicher Zeit lebte auf Haus Nachrodt der Dichter Wilhelm von Zuccalmaglio als Privatlehrer. In Wort und Bild hat er seine Freude an der schönen Landschaft bezeugt. Wir fühlen mit dem Dichter, wenn er den damals noch so ungestörten Abendfrieden unseres Tales in seinem Lied „Die Blümelein sie schlafen“ in dichterisch-schöner Form wiedergab und die zarte innige Weise dazu fand.“ (aus „Nachrodt-Wiblingwerde“ - 50 Jahre Gemeinde 1957). Die Tätigkeit als Hauslehrer und Erzieher ließ Zuccagmalio von 1860 bis 1866 in Nachrodt bleiben. Robert Löbbecke zeigte Zuccalmaglio auf gemeinsamen Ausflügen die zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Naturmerkmale der Gegend wie das Hemer Felsenmeer u.a., mit denen er sich in seinen Aufzeichnungen ausführlich beschäftigt. „Das Tal der Lenne von seiner Ausmündung bei Hohensyburg bis an den Fuß der Ebbe bei Plettenberg gehört mit zu dem Schönsten, was Deutschland an Landschaftlichem aufweisen kann.“ 

Nachrodt als "Base" für Reisen





Haus Nachrodt Foto Charlotte von Löbbecke-Campe_klein.jpg

Der Park in Nachrodt mit der teilweise noch heute erhaltenen Linden-Allee und seltenen Pflanzen-Raritäten aus aller Welt erstreckte sich zu dieser Zeit vom Erbbegräbnis an Klara´s Höhe mit der Kapellen-Ruine und grandiosem Ausblick ins Lennetal (auch „westfälische Schweiz“ genannt) über Haus und Gut Nachrodt an der Lenne entlang bis hin zur Fabrik der Familie. Für Zuccagmalio war es sicherlich für seine leidenschaftlichen, naturkundlichen Forschungen und Neuzüchtungen von Pflanzen das Paradies. Aber auch seinen Unterrichtsstil, bei dem er seine Schüler am liebsten in der Natur an der frischen Luft unterrichtete, konnte dieses Umfeld nur begünstigen. Zuccagmalio gab Anfang 1865 seine Tätigkeit als Erzieher auf, behielt aber Nachrodt als Stützpunkt für seine zahlreichen Reisen zu seinen unzähligen Freunden und Verwandten, wo er Freundschaftsdienste verrichtete und seine Forschungen und schriftstellerische Tätigkeit weiter betrieb. Seine letzten Jahre lebte er vergnügt in den Tag hinein, machte Wanderungen und schrieb u.a. über Sagen und das Hexenwesen und arbeitete an einem norddeutschen Kalender. „Er ist aber stets guter Dinge…dabei hat er einen unverwüstlichen Humor, was ihn angenehm macht…“ schrieb 1868 eine Gastgeberin.

Im selben Jahr erhält er drängende Post von der Witwe Schmidt, die um einen Besuch in Haus Nachrodt bat. Im Herbst 1868 war bei Bauarbeiten zu einer neuen Bahnstrecke in der Grüne bei  Iserlohn die Dechenhöhle entdeckt worden, diese sollte er besichtigen. Sein Bruder Vinzenz v. Zuccalmaglio in Grevenbroich schreibt in einem Brief an seinen Onkel Franz über die letzten Lebenstage und den Tod seines Bruders:
„…Er kam erst Anfang des Monats (März 1869) hierher (Grevenbroich), um nach 8tägigem Aufenthalte den dringenden Einladungen der Frau Schmidt, … zu folgen. Am 9. des Monats reiste er dorthin (Nachrodt) ab, wollte die Feiertag zurückkehren und nach Ostern wieder dorthin gehen, um den Frühling dort zuzubringen, in der Landschaft und unter den Leuten, die ihm besser behagten als sonst irgendwo in der Welt. Die Frau Schmidt hatte ihm eine zusagende Wohnung und Arbeitsstube eingeräumt, damit er seiner gewohnten literarischen Beschäftigung obliegen könne und sie mit den Ihrigen sich in den Nebenstunden seines Umgangs erfreuten. …So lebte er dort recht nach seinem Geschmack, ungestört in seiner Lieblingsbeschäftigung. Er hatte noch vieles zu schreiben vor, viel der Geschichten zur Herausgabe zu bereiten….“

Die letzten Tage des "alten Schatzgräbers" 

Am 22. März schließlich besichtigt er die Dechenhöhle, beabsichtigt sie zu zeichnen und bemerkt dazu: „Wer weiß, welchen verlorenen Schatz ich alter Schatzgräber dort entdecken werde“. Am Abend las er im Kreise der Familie eine Novelle vor, bevor er in sein Zimmer ging, wo er noch laut das Lied „Ich fuhr über den See so weit ..“ summte. 

In seinem Brief an den Onkel schreibt Vinzenz v. Zuccalmaglio weiter:
Er starb am 23. des Monats zu Nachrodt bei Letmathe an der Lenne, im Hause einer treusten Freundin, der Witwe Schmidt, bei der er sich zu Besuch befand. Er hatte wie ein überglückliches Leben so den schönsten Tod. Das Begräbnis war seiner würdig. Nicht als Fremder, nicht als Gast, sondern als Glied der Familie war er dort im Leben und so auch im Tod angesehen. …Man hatte seinen Wert erkannt. Der Prachtsalon des Hauses wurde sein letztes Gemach unter den Lebenden, ein Saal, wie viele Fürsten ihn nicht schöner haben. Viele Treibhäuser waren der Blumen und des Grünschmucks für ihn beraubt, und selbst der Lorbeerkranz fehlte dem Sänger und Dichter nicht. An seiner Lieblingsstätte liegt er begraben, zu Altena, auf dem Fuße des Berges, der das Stammschloss der Grafen Altena-Berg trägt, deren Geschichte er erforscht, geschrieben und besungen hat….“

Text: Charlotte v. Löbbecke-Campe, Haus Nachrodt


Das sich in Privatbesitz befindliche, denkmalgeschützte Ensemble von Haus, Hof und Park Nachrodt mit der Lindenallee zum Erbbegräbnis auf Klara´s Höhe kann in einer Führung besichtigt werden.
www.haus-nachrodt.de    info@haus-nachrodt.de     Tel. 02352-3561
 

Besichtigung Haus Nachrodt

Das sich in Privatbesitz befindliche, denkmalgeschützte Ensemble von Haus, Hof und Park Nachrodt mit der Lindenallee zum Erbbegräbnis auf Klara´s Höhe kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden.

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Tel.: 02352 3561
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